Vortrag beim Herbst-Event „Systemische Reflexionen“ der Gesellschaft für systemische Beratung Karlsruhe zum 25-jährigen Jubiläum der GSB e.V.
Am 27. November 2019 durften wir vor den über 40 Teilnehmer*innen des Events zum 25-jährigen Jubiläum der Gesellschaft für systemische Beratung (GSB e.V.) einen Vortrag über kognitive Metaphern halten. Nach einer überaus freundlichen Begrüßung erzählten wir vorweg von unserem eigenen Weg in die philosophisch-systemische Beratung.
Unser Vortrag bestand aus zwei Teilen. Der erste Teil war theoretisch und ideengeschichtlich konzipiert, der zweite Teil handlungsorientiert gestaltet. Die Leitfragen unseres Vortrags waren:
Was sind und wie wirken kognitive Metaphern auf unser Handeln? Wie können wir das Verständnis der Wirkungszusammenhänge von kognitiven Metaphern für unsere Selbstreflexion und unsere Beratungspraxis nutzen?
Was sind Metaphern?
Wir starteten wir mit einem gemeinsamen Brainstorming zu Metaphern, wie wir alle sie alltäglich gebrauchen, wenn wir unser Leben bspw. mit der Metapher der Fahrt in einer Achterbahn oder als Reise beschreiben. Anschließend näherten wir uns dieser Frage anhand philosophischer Zitate und unter dem beispielhaften Rückgriff auf die Definition des Duden. So schreibt dieser: „Eine Metapher ist ein »sprachlicher Ausdruck, bei dem ein Wort (eine Wortgruppe) aus seinem eigentlichen Bedeutungszusammenhang in einen anderen übertragen wird (www.duden.de). In solchen Beschreibungen lernen wir die Bedeutung von Metaphern auch im Deutsch- und Politikunterricht der Schule kennen. Metaphern werden als rhetorische Figuren, die als Stilmittel dienen, um im literarischen Schreiben oder in der politischen Redeweise etwas zu veranschaulichen, um Betonung oder Abwechslung in Texten zu gewinnen, verstanden. Die Funktion dieser Nutzung von Metaphern besteht in der Übertragung (gr. metaphorá) einer Eigenschaft aus einem Bedeutungsbereich in einen anderen Bedeutungsbereich, bspw. Achill ist ein Löwe, die Welt ist eine Maschine oder eine Bühne. Mit diesem Verständnis von Metaphern ist die Vorstellung verbunden, dass diese uneigentliche Sprachbilder seien und das, was metaphorisch geschrieben oder gesagt wird, eigentlich auch anders ausgedrückt werden kann. Erwähnenswert war an dieser Stelle, dass neuere philosophische und wissenschaftstheoretische Forschungen die Rolle sogenannter notwendiger Metaphern aufzeigen konnten, aber das war nicht das eigentliche Thema des Vortrags.* Die nächste Frage, die wir mitgebracht hatten, war:
Wo finden wir Metaphern?
Überraschenderweise sind Metaphern nämlich nicht nur in der Alltagssprache, in der Literatur oder in der politischen Rhetorik anzutreffen, sondern ebenfalls in der Wissenschaft, wo sie eine wesentliche Rolle in zentralen Konzepten spielen, wie wir an Beispielen aus den Kognitionswissenschaften, den Wirtschaftswissenschaften sowie der Physik aufweisen konnten. Darauf folgte ein Rückblick auf die klassische Metapherntheorie von Aristoteles und dessen Definition und Funktionsbeschreibung von Metaphern in seinen Schriften zur Poetik und Rhetorik. Unsere Frage an die aristotelische Metaphernanalyse: Wie funktioniert die Übertragung?
Die kognitive Metapherntheorie.
Von der Antike sprangen wir nun in die 1980er Jahre als die Sprachtheoretiker der kognitiven Linguistik G. Lakoff und M. Johnson mit ihrem Werk „Leben in Metaphern. Konstruktion und Gebrauch von Sprachbildern“ (1980) die kognitive Metapherntheorie begründeten. In dieser zeigten sie die zentralen kognitiven Funktionen von Metaphern im menschlichen Wahrnehmen, Denken und Sprechen auf. Nach diesen Einblicken in die Theorie und Ideengeschichte der philosophischen und wissenschaftlichen Untersuchung von Metaphern wendeten wir uns der praktischen Nutzung dieser Erkenntnisse zu. Wir fragten, welche Rolle kognitive Metaphern im Theorie-Praxis-Verhältnis spielen und wie diese Ideen aus der theoretischen Reflexion für die Praxis fruchtbar gemacht werden können.
Der zweite Teil unseres Vortrages widmete sich in drei entwickelnden Schritten und einem zusammenführenden Abschnitt der Titelfrage:
Wie werden kognitive Metaphern handlungsleitend?
Dafür stellten wir erstens ein eigens konzipiertes Schema vor, das verdeutlicht wie wir kognitive Metaphern nutzen können, um konkrete Themen von Coachs und Coachees mittels metaphorischer Beschreibungen zu erschließen. Unser Beispiel war die Metapher Landkarte, die wir selbst mehrfach in unserem Workshop Orientierungstrainig als Metapher einerseits für Theorie und andererseits allgemein für praktische Orientierungshilfen in privaten und beruflichen Orientierungsfragen angewendet hatten. Anhand unserer Erfahrungen im Workshop konnten wir von den reflexiven Selbsterfahrungen und den effektiven Hilfeleistungen, die diese Metapher eröffnet, beispielhaft erzählen. Der zweite Schritt war die Darstellung unseres Modells von den Wirkungen der Metaphern auf verschiedene Einflussaspekte unseres Handelns: die kognitive, emotive und volitive Wirkung. Im dritten Schritt stellten wir eine Vielzahl von Begriffen des Systemischen Denkens aus den verschiedenen Systemtheorien und in der Systemischen Beratung dar und wiesen exemplarisch auf deren metaphorische Bedeutung hin. Schließlich bezogen wir diese drei Abschnitte aufeinander, so dass sich daraus an einem konkreten Beispiel der systemischen Metaphorik deren Wirkungen in unserem alltäglichen Handeln, aber auch in unserer Beratungspraxis als systemische Berater*innen Schlussfolgerungen ziehen ließen, um neue Perspektiven für unsere Selbstreflexion und unser Handeln als Coachs zu eröffnen.
* Gutmann, M., Rathgeber, B., »Kognitive Metaphern«; in: Bölker, M., Gutmann, M. & Hesse, W. (Hg.): Information und Menschenbild, Springer, Berlin & Heidelberg, 2010, S. 115-137; Gutmann, M., Rathgeber, B., »Zur Leistung und Funktion von Metaphern«, in: Bölker, M.; Gutmann, M. & Hesse, W. (Hg.): Menschenbilder und Metaphern im Informationszeitalter, LIT-Verlag, Berlin, Münster, Wien, 2010, S. 13-45; Gutmann, M., Rathgeber, B., »Notwendige Metaphern«, in: Bölker, M., Gutmann, M. & Hesse, W. (Hg.): Information und Menschenbild, Springer, Berlin & Heidelberg, 2010, S. 173-197;